Diskriminierung am Arbeitsplatz kann viele Gesichter haben – egal ob wegen des Alters, einer Behinderung, der Herkunft oder des Geschlechts. In den letzten Jahren wird jedoch glücklicherweise immer mehr auf die Herausforderungen im Arbeitsalltag aufmerksam gemacht, vor denen verschiedenste Personengruppen immer noch stehen. Auch die Gesetzgebung schafft langsam immer mehr den rechtlichen Rahmen, um Benachteiligungen, beispielsweise aufgrund des Geschlechts, entgegenzuwirken. So besteht seit Ende 2018 die Chance das eigene Geschlecht nicht nur als “männlich” oder “weiblich”, sondern auch als “divers” eintragen zu lassen. Zudem dürfen Arbeitgeber in Deutschland gemäß des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (§ 1 AGG) Bewerber:innen nicht aufgrund ihres Geschlechts benachteiligen.
Doch wie kann ich als Arbeitgeber ein diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld schaffen? Oft sind Unternehmen unsicher, wie beispielsweise Menschen des dritten Geschlechts in der Kommunikation mit Bewerber:innen besser miteinbezogen werden können. Gendern scheint oft kompliziert.
Keine Sorge! Hier erklären wir, wie du mehr Inklusion in den Bewerbungsprozess bringen kannst, damit Geschlechterdiskriminierung in unserer Arbeitswelt in Zukunft der Vergangenheit angehört.
Stellenanzeigen: Der erste Schritt
In Deutschland dürfen Arbeitgeber gemäß des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (§ 1 AGG) Bewerber:innen nicht aufgrund ihres Geschlechts benachteiligen. Seit 2019 gilt zudem, dass Stellenanzeigen geschlechtsneutral formuliert sein sollen. Geschlechtsneutral – Was bedeutet das genau?
Eine altbekannte Methode ist die Doppelnennung einer Berufsbezeichnung, wie “Projektleiter und Projektleiterin”, in Kombination mit dem Kürzel (m/w). Die Absicht damit ist es nämlich, sowohl weibliche Bewerberinnen als auch männliche Bewerber anzusprechen. Allerdings wird mit dieser Anrede eine ganz bestimmte Gruppe – oft ungewollt – ausgeschlossen: Nämlich Personen des dritten Geschlechts. Seit der wegweisenden Entscheidung des BVerfG sowie der Gesetzesänderung zugunsten des dritten Geschlechts und der Eintragungsmöglichkeit im Geburtenregister, erfasst das AGG aber auch Schutz vor Diskriminierungen des dritten Geschlechts – obwohl es selbst das dritte Geschlecht nicht kennt.
Doch was bedeutet der Begriff “drittes Geschlecht” überhaupt?
Zum dritten Geschlecht gehören intersexuelle Personen, welche mit sowohl weiblichen als auch männlichen Geschlechtsmerkmalen geboren wurden und sich somit nicht eindeutig dem weiblichen oder männlichen Geschlecht zuordnen lassen können. Sollten Intersexuelle eine Kategorisierung als weiblich oder männlich selbst ablehnen, können sie ihr Geschlecht nun auch seit 2018 offiziell als divers eintragen lassen. Von dieser Regelung profitieren außerdem nicht nur intersexuelle, sondern auch nicht-binäre Personen. Als nicht-binär gelten Menschen, deren Geschlechtsidentität sich weder als männlich noch als weiblich bezeichnen lässt, obwohl sie, im Gegensatz zu intersexuellen Personen, nur eindeutig männliche oder weibliche Geschlechtsmerkmale aufweisen.
Um nun nicht nur weibliche oder männliche Personen anzusprechen und gegen das AGG zu verstoßen, ist es wichtig mithilfe von geschlechtsneutraler Sprache wirklich alle Bewerbenden sprachlich mit einzubeziehen.
Geschlechtsneutrale Sprache? Klingt kompliziert, ist in der Praxis tatsächlich nicht allzu schwierig umzusetzen. Dem klassischen (m/w), welches für männlich oder weiblich steht, ist nun ein drittes Kürzel hinzuzufügen. Oft wird dann (m/w/d) verwendet, wobei das d hier für “divers” steht. Alternativ können auch folgenden Formulierungen gebraucht werden:
- mwd: d für divers
- mwa: a für anders
- mwx: x für beliebig
- mw*: * für beliebig
Allerdings reicht es nicht lediglich den Jobtitel geschlechtsneutral zu gestalten. Vielmehr sollte auch im Fließtext auf eine geschlechtsneutrale Sprache geachtet werden. Dabei besitzt jedes Unternehmen die Freiheit so zu gendern, wie es möchte. Denn feste Regelungen für das Gendern im Fließtext gibt es nicht. Die gängigsten Methoden fassen wir hier für euch zusammen:
1. Gendersternchen
Am bekanntesten ist wohl das sogenannte Gendersternchen, bei dem die männlichen und weiblichen Formen eines Begriffs durch einen Asterisk getrennt werden. Dabei symbolisieren die kleinen Strahlen des Asterisks, welche in verschiedene Richtungen zeigen, unterschiedliche Geschlechtsidentitäten. Zum Beispiel: Mitarbeiter*in, Angestellte*r
2. Unterstrich
Alternativ wird in einigen Fällen mithilfe eines Unterstrichs gegendert, der das komplette, bunte Spektrum der Geschlechter repräsentieren soll. Hierbei stellen die männliche und weibliche Version des Wortes die zwei äußeren Pole dar. Zum Beispiel: Mitarbeiter_in, Angestellte_r
3. Doppelpunkt
Zuletzt wird nun immer häufiger der sogenannte Gender:Doppelpunkt verwendet. Denn ein wiederkehrender Kritikpunkt der gendergerechten Sprache im Allgemeinen ist, dass der Lesefluss auf eine “unschöne” Weise unterbrochen wird. Der Doppelpunkt gilt allerdings als die leser:innenfreundlichste Variante. Abgesehen davon wird er, im Gegensatz zum Gendersternchen und dem Unterstrich, von Sprachausgabeprogrammen für Blinde oder Menschen mit Sehbehinderung durch eine kleine Sprechpause wiedergegeben und ist somit auf mehr als eine Art und Weise inklusiver. Deswegen ist der Gender:Doppelpunkt auch oft die Methode unserer Wahl ;). Zum Beispiel: Mitarbeiter:innen, Angestellte:r
Unser Tipp: Mit Kreativität lassen sich alternativ auch geschlechtsneutrale Formulierungen finden. Zum Beispiel, statt “Wir suchen einen Sales-Mitarbeiter ” formuliert “Wir suchen Verstärkung für unser Sales-Team”. Und aus „Du bist (ein) Teamplayer?“ wird „Teamwork ist dein Ding?“
Bewerbungsgespräche – darauf kommt es an
Wer wirklich Wert darauf legt, Diskriminierung in seinem Unternehmen zu bekämpfen, sollte allerdings darauf achten gendergerechte Sprache und andere Maßnahmen während des gesamten Bewerbungsprozesses anzuwenden. Denn Inklusion hört noch lange nicht bei der Stellenanzeige auf. Ganz im Gegenteil: Diese stellt erst den Anfang dar.
Daher ist es wichtig in jeglichem schriftlichen Kontakt weiterhin von der bevorzugten Variante der gendergerechten Sprache Gebrauch zu machen. Gendersternchen, Unterstrich oder Doppelpunkt – das sei jedem Unternehmen selbst überlassen. Außerdem zu beachten: Nicht jede sich bewerbende Person möchte mit “Herr” oder “Frau” angesprochen werden. Wie wäre es stattdessen, lediglich den Vor- oder Nachnamen zu verwenden? So wird aus einem “Hallo Herr Mustermann” ein “Hallo Max” oder “Hallo Mustermann”. Gleiches gilt natürlich auch für den persönlichen Kontakt in einem Telefon- oder im Bewerbungsgespräch. Zudem sollte darauf geachtet werden, auch mündlich zu gendern. Obwohl dies für manche Ohren befremdlich klingen mag, spiegelt es doch einen ersten Schritt wider, dass Inklusion im Unternehmen nicht nur vorgespielt, sondern vor allem aktiv von den Mitarbeitenden gelebt wird.
Auch in Bewerbungsportalen kann man besonders darauf achten, bereits in der Eingabemaske der Bewerbungsdaten möglichst alle Geschlechter anzusprechen und daraufhin bei der Auswahl des Geschlechts (neben Namen, Adresse, etc.) nicht nur die Optionen weiblich und männlich, sondern auch divers anzubieten.
Ein weiterer wichtiger Schritt, um Diskriminierung im Bewerbungsprozess zu vermeiden, ist darauf zu achten, im Vorstellungsgespräch keine unzulässigen Fragen zu stellen. Demnach ist es, zum Beispiel, nicht erlaubt sich über das Geschlecht oder die sexuelle Orientierung der Bewerbenden zu erkundigen. Ebenso sind Fragen zur Familienplanung, wie zu der Absicht zu heiraten oder zu einem möglichen Kinderwunsch, unzulässig. Zudem sollte vermieden werden, Bewerbende nach einer aktuellen Schwangerschaft zu fragen. Zuletzt, sind auch Fragen zur Partnerschaft oder den Familienverhältnissen tabu. So sollte Fragen wie: “Und was macht denn ihr Mann beruflich?”, vermieden werden. Nicht zu vergessen: man sollte selbstverständlich nicht nur um Fragen zum Geschlecht oder der sexuellen Orientierung einen weiten Bogen schlagen. Vielmehr gibt es auch Fragen über weitere Eigenschaften, wie dem Alter, der Herkunft, der politischen Gesinnung oder der Religion, einer Behinderung, die gegen das AGG verstoßen können. Eine umfangreichere Übersicht findet ihr in unserer Checkliste.
Sollte doch eine diskriminierende Frage gestellt werden, müssen Bewerbende diese nicht beantworten und dürfen sogar lügen, ohne dass ihnen nach einer Anstellung Konsequenzen drohen.
Damit auch keine Zweifel entstehen, ob Bewerber:innen nicht doch aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert wurden, empfehlen wir jeden Schritt des Bewerbungsprozesses genau zu planen und zu dokumentieren. Wenn die Auswahlkriterien für ein Vorstellungsgespräch beispielsweise klar im Voraus definiert wurden, kann eine Einladung sowie auch eine Ablehnung plausibel begründet werden. So können einerseits harte Faktoren, wie die Noten im Studium, Sprachkenntnisse oder bereits gesammelte Berufserfahrung, aber auch weiche Faktoren wie Kreativität, Kommunikation oder analytische Fähigkeiten, ausschlaggebend sein. Zudem ist es einfach diese Eigenschaften im Bewerbungsgespräch durch die richtigen Fragen festzustellen und aufzuzeichnen. Grundsätzlich sollte ein persönliches Gespräch mit Bewerbenden wenn möglich auch mit zwei Personen, nach dem “Sechs-Augen-Prinzip” geführt werden. Auf diese Weise wird gewährleistet, dass im Streitfall noch eine weitere bezeugende Person anwesend ist. Alternativ kann auch eine Einwilligung der Bewerber:innen eingeholt werden, um das Gespräch aufzunehmen.
Wer besonders auf “Nummer Sicher” gehen möchte, sollte den Verlauf des Bewerbungsgesprächs zusätzlich mit Notizen dokumentieren und einen Prozess für die Speicherung jeglicher Bewerbungsdaten etablieren. Die personenbezogenen Daten der Bewerber:innen können nämlich bis zu 6 Monate gespeichert werden, sollten danach aber aus datenschutzrechtlichen Gründen gelöscht werden.
Sich als ein inklusives Unternehmen darzustellen, dem “Diversity” ganz besonders am Herzen liegt, ist nicht schwer. Doch spätestens, wenn man einen Blick auf erfolgreiche Bewerber:innen, das Arbeitsklima im Unternehmen oder die Besetzung von Führungspositionen wirft, bröckelt häufig die Fassade. Wer echte Veränderung erzielen und Diskriminierung in den eigenen Reihen bekämpfen möchte, muss aktiv Zeit und Ressourcen investieren. Daher gilt es den gesamten Bewerbungsprozess vorbereitet anzugehen, Sprache und Kommunikation anzupassen und verschiedene Perspektiven zu respektieren. Nur mit dem nötigen Aufwand kann allen Bewerber:innen eine faire Chance auf die offene Stelle ermöglicht werden. Umgekehrt profitiert nicht nur der Ruf des Unternehmens von einem inklusiven Bewerbungsprozess. Vielmehr wird auf diese Weise sichergestellt, dass wirklich nur die Person mit der höchsten Qualifikation und den besten Fähigkeiten angestellt wird.