Das optimale HR- & Legal-Setup in Mittelstand und KMU: Drei Modelle im Vergleich

Karol ist Jurist und Chief Revenue Officer bei twinwin
Als Legal-Tech-Pionier macht Karol komplexes Arbeitsrecht auch für Nichtjuristen verständlich und anwendbar. Mit seiner Kombination aus rechtlichem Know-how und einem Blick für effiziente Strukturen und Prozesse schlägt er die Brücke zwischen dem Recht und der Personalarbeit.

"Ich wusste nicht, dass unsere Arbeitsverträge problematisch sind – bis der erste Kündigungsschutzprozess kam." Solche Erfahrungen sind in Personalabteilungen leider keine Seltenheit. Im komplexen deutschen Arbeitsrecht können mangelhafte Strukturen kostspielige Folgen haben – Kosten, die sich mit dem richtigen Ansatz vermeiden lassen.

Als HR-Mensch stehst du vor der Herausforderung, rechtssicher zu agieren, ohne zu viel Zeit dafür zu investieren. Dieser Leitfaden vergleicht drei bewährte Modelle für die arbeitsrechtliche Absicherung und zeigt, welches am besten zu deiner Situation passt.

Vier Faktoren für ein wirkungsvolles HR- & Legal-Setup

Proaktivität: Risiken frühzeitig erkennen und vermeiden

Ein gutes Legal Setup ermöglicht dir, arbeitsrechtliche Risiken frühzeitig zu identifizieren und die Mittel, sie zuverlässig aufzulösen. Konkret bedeutet das etwa: Regelmäßige Reviews deiner HR-Dokumente und Sensibilisierung deines Teams für typische arbeitsrechtliche Fallstricke.

Kontinuierliches Lernen im Team ist entscheidend. Biete regelmäßige Schulungen zu aktuellen Rechtsthemen an – von neuer Rechtsprechung zu Homeoffice-Regelungen bis zu Änderungen im Befristungsrecht. Auch vermeintliche Kleinigkeiten können Fehler verursachen.

Lerne aus eigener Erfahrung: Nach jedem arbeitsrechtlichen Vorfall führe eine kurze Reflexion durch. Was hat gut funktioniert? Was haben wir gelernt? Diese Erkenntnisse können dann eure Prozesse iterativ feintunen.

Die Aktualität aller arbeitsrechtlichen Vorlagen ist eine wichtige Aufgabe. Veraltete Dokumente erhöhen das Risiko rechtlicher Angriffspunkte. Etabliere daher einen strukturierten Prozess zur kontinuierlichen Aktualisierung.

Reaktive Kompetenz: Handlungsfähigkeit in kritischen Situationen

Trotz bester Prävention, sind Konflikte mit fortschreitender Zeit und steigender Mitarbeiterzahl unvermeidbar. Statistisch klagt einer von Hundert Mitarbeitenden in Deutschland gegen seinen Arbeitgeber – pro Jahr! Ein effektives Setup bietet klare Abläufe und direkten Zugriff auf relevante Dokumente und Expertenwissen, etwa wenn eine Abmahnung oder Kündigung rechtssicher erfolgen muss.

Eine gut strukturierte Dokumentation minimiert Angriffsflächen bei rechtlichen Auseinandersetzungen. Schnelle Reaktionsfähigkeit verhindert, dass kleine Unstimmigkeiten zu kostspieligen Rechtsstreitigkeiten werden.

Skalierbarkeit: Mit den Anforderungen wachsen

Dein Unternehmen entwickelt sich stetig weiter – dein Legal Setup sollte dies unterstützen, nicht behindern. Eine zukunftssichere Lösung wächst organisch mit und passt sich flexibel an neue Anforderungen an, sei es die Einführung neuer Arbeitszeitmodelle oder die Umsetzung der Arbeitszeiterfassung.

Das ideale Setup sollte die einfache Integration von Veränderungen unterstützen und auch bei personellen Veränderungen verlässlich bleiben – gerade der letztgenannte Punkt wird oft unterschätzt.

Wirtschaftlichkeit: Kosten und Nutzen

Jedes Legal Setup muss einen klaren Return on Investment bieten und deine Ressourcen optimal nutzen. Ein durchdachtes Setup führt zu besserer Ressourcenallokation im HR-Bereich und entlastet bei Routineaufgaben.

Die größten Einsparungen entstehen meist indirekt: Durch vermiedene Eskalationen, schnellere Lösungen und damit Zeitersparnis im Team sowie geringere externe Kosten.

Drei Varianten im Vergleich

Modell 1: Der externe Anwalt

Bei diesem traditionellen Ansatz arbeitet deine HR-Abteilung mit einer spezialisierten Arbeitsrechtskanzlei zusammen. Die Zusammenarbeit kann reaktiv (Anwalt wird hauptsächlich bei konkreten Problemen hinzugezogen) oder proaktiv (regelmäßige Jour Fixes, Begleitung der Routine usw.) gestaltet sein.

In der Praxis überwiegt meist die reaktive Zusammenarbeit, bei der der Anwalt als „Feuerwehr“ und ansonsten nur bei größeren juristischen oder strategischen Projekten eingebunden wird.

Vorteile

Du erhältst eine einwandfreie rechtliche Absicherung in kritischen Situationen und bei strategischen Projekten. In der proaktiven Variante kommt eine maximale Präventionswirkung hinzu – dein Anwalt kann Risiken identifizieren, bevor sie zu Problemen werden.

Diese Zusammenarbeit minimiert Risiken bei Auseinandersetzungen und entlastet dein HR-Team bei komplexen Rechtsfragen.

Nachteile

Ein wesentlicher Nachteil sind die hohen Kosten: Stundensätze von 250 bis 350 € sind für Arbeitsrechts-Experten keine Seltenheit. Bei der meist üblichen, reaktiven Zusammenarbeit kommen präventive Aspekte nur punktuell zum tragen. Die Ursachen für Eskalationsfälle werden so oftmals nicht in der Tiefe behandelt.

Die proaktive Variante kann den Kompetenzaufbau des eigenen Teams beeinträchtigen. Es kann sich ein Gewöhnungseffekt einstellen, dass keine eigene vertiefte Auseinandersetzung mit dem Arbeitsrecht nötig ist. Nicht jeder Anwalt erklärt die Hintergründe so, dass ein Lerneffekt für das Team entsteht.

Zuletzt kann abhängig von der Auslastung des Anwalts zu Verzögerungen kommen, wenn du längere Zeit auf Antworten warten musst. Gerade bei kleineren, aber dringlichen Themen ist das ärgerlich.

Bewertung (übliche, reaktive Nutzung)

  • Proaktives Risikomanagement: ⭐⭐
  • Reaktives Risikohandling: ⭐⭐⭐⭐⭐
  • Skalierbarkeit und Flexibilität: ⭐⭐⭐
  • Wirtschaftlichkeit: ⭐⭐⭐

Modell 2: Eigenständige Recherche

Bei diesem Modell arbeitet dein HR-Team weitgehend selbstständig in arbeitsrechtlichen Fragen. Ihr baut systematisch interne Kompetenz auf, nutzt Online-Ressourcen und kontaktiert nur bei kritischen Fällen externe Berater.

Mit der Zeit entwickelt ihr eigene Routinen und Vorlagen, die genau zu eurer Unternehmensrealität passen.

Vorteile

Flexibilität und schnelle Entscheidungen sind die größten Stärken – ihr könnt ohne externe Abstimmungen agieren. Finanziell ist dieses Modell günstig, da Beraterhonorare nur punktuell anfallen.

Besonders wertvoll ist der kontinuierliche Aufbau eigener Kompetenz, die dem gesamten Unternehmen langfristig nutzt. Es entstehen pragmatische, unternehmensspezifische Lösungen, die zur Unternehmenskultur passen.

Nachteile

Dieser Ansatz birgt höhere Risiken durch mögliche Wissensdefizite. Arbeitsrechtliche Recherche kann gerade für Nichtjuristen oft unüberschaubar und mit Unsicherheiten verbunden sein. Bei Sonderfällen muss man oft die Relevanz der Situation kennen, um richtig zu suchen. Mit der richtigen Unterstützung kann die Kompetenz aber aufgebaut und weiterentwickelt werden.

Auf jeden Fall entsteht ein beträchtlicher Zeitaufwand von mindestens 8 Stunden pro Monat und Person, der für andere HR-Aufgaben fehlt. Bei Kapazitätsengpässen wird dies besonders problematisch: Nehme ich Unschärfe im Arbeitsrecht in Kauf, oder kann ich eine Verzögerung bei drängenden Aufgaben rechtfertigen?

Die Abhängigkeit von einzelnen Personen als Wissens- und Erfahrungsträger stellt ein weiteres Risiko dar. Verlässt etwa eine versierte HR-Leiterin das Unternehmen, entsteht ein schwer zu kompensierendes Kompetenzloch. Zudem fehlt eine fortlaufende externe Validierung des Wissens.

Bewertung

  • Proaktives Risikomanagement: ⭐⭐
  • Reaktives Risikohandling: ⭐⭐
  • Skalierbarkeit und Flexibilität: ⭐⭐⭐⭐
  • Wirtschaftlichkeit: ⭐⭐⭐⭐

Modell 3: Legal Tech im Arbeitsrecht

Dieses Hybridmodell kombiniert digitale Effizienz mit Expertenunterstützung nach Bedarf. Deine Personalabteilung nutzt eine Legal-Tech-Plattform als Basis für arbeitsrechtliche Fragen.

Für Einzelfallberatung und juristische Projekte besteht direkter Zugang zu spezialisierten Anwälten zu vergünstigten Konditionen.

Vorteile

Die Kombination aus digitaler Effizienz und rechtlicher Sicherheit macht diesen Ansatz besonders attraktiv. Du profitierst von stets aktuellen, juristisch geprüften Vorlagen und erhältst schnelle Antworten auf spezifische Fragen – meist innerhalb eines Arbeitstages. Dies hilft sowohl, den arbeitsrechtlichen Alltag effizient zu bewältigen als auch das eigene Wissen fortlaufend zu erweitern und zu aktualisieren.

Der digitale Aufbau macht es einfach, den Überblick über die angefallenen Themen zu behalten. Arbeitsrechtliches Wissen ist dezentral verfügbar, was die eigenständige Weiterentwicklung begünstigt.

Eine zusätzliche, bedarfsgerechte Unterstützung durch verbundene Anwälte sorgt für Rechtssicherheit bei gleichzeitiger Kosteneffizienz auch in komplexen Fällen, bei denen die eigene Expertise durch eine anwaltliche Einschätzung untermauert werden muss.

Nachteile

Dieses Modell steht und fällt mir der Qualität der gewählten Plattform. Zudem bietet nicht jeder Anbieter bietet alle oben genannten Funktionen an. Bei sehr speziellen Fragen fehlt standardisierten Lösungen manchmal die nötige Detailtiefe.

Außerdem setzt die effektive Nutzung setzt gewisse digitale Grundkenntnisse im Team voraus. Die Einführung erfordert eine gewisse Einarbeitungszeit, damit alle Teammitglieder die Funktionen effizient nutzen können und best practices verinnerlichen.

Bewertung

  • Proaktives Risikomanagement: ⭐⭐⭐⭐
  • Reaktives Risikohandling: ⭐⭐⭐⭐
  • Skalierbarkeit und Flexibilität: ⭐⭐⭐⭐⭐
  • Wirtschaftlichkeit: ⭐⭐⭐⭐

Welches Modell passt zu deiner HR-Abteilung?

Das Anwaltsmodell für Sicherheit

Das proaktive Anwaltsmodell eignet sich besonders für Unternehmen in stark regulierten Branchen wie Pharma oder Finanzdienstleistungen, wo eine makellose arbeitsrechtliche Compliance gefordert ist. Dieses Modell wäre auch die erste Wahl, wenn dein Unternehmen bereits arbeitsrechtliche Konflikte hatte oder in einer Branche mit starkem gewerkschaftlichem Einfluss tätig ist.

Die reaktive Variante ist der gelebte Standard in deutschen KMUs. Das Prinzip „Feuerwehr“ kann durchaus effektiv sein, um die schlimmsten Verläufe zu verhindern. Leider werden die Ursachen der Eskalationen so nicht oder nur stellenweise erreicht. Diese Variante kann aber durch die anderen Ansätze ganz oder in Teilen ergänzt werden, um diese Defizite abzufedern.

Eigenständig in ruhigen Settings

Der eigenständige Ansatz passt gut zu Kleinstunternehmen mit begrenztem Budget. Wenn deine Belegschaft stabil ist und wenig Fluktuation aufweist, überwiegen im Alltag meist Standardsituationen, die du gut selbst bewältigen kannst.

Dieses Modell funktioniert besonders gut mit erfahrenen HR-Mitarbeitern, die bereits fundiertes Arbeitsrechtswissen mitbringen. Auch Betriebe in Branchen mit wenigen arbeitsrechtlichen Besonderheiten kommen mit diesem schlanken Ansatz gut zurecht.

360°-Abdeckung mit Legal Tech

Die digitale Legal-Tech-Lösung entfaltet ihre Stärken besonders in mittelständischen Unternehmen mit kontrolliertem Wachstum. Start-Ups und Scale-Ups schätzen die kontinuierliche Unterstützung beim Kompetenzaufbau. Unternehmen aus dem Consulting- und Agentur-Umfeld kommt die Schnelligkeit und Kosteneffizienz entgegen.

Dieses Modell empfiehlt sich, wenn du eine gute Balance zwischen Rechtssicherheit und Wirtschaftlichkeit suchst. Es ist die Lösung der Wahl, wenn du deine HR-Abteilung systematisch professionalisieren möchtest, ohne dauerhaft hohe Anwaltskosten zu tragen.

Schritte zur Veränderung

1. Standortbestimmung

Beginne mit einer ehrlichen Analyse deiner aktuellen Situation. Welche rechtlichen Risikobereiche existieren in deinem Unternehmen? Prüfe kritisch, ob in euren Bewerbungsgesprächen möglicherweise unzulässige Fragen gestellt werden.

Wie hoch ist die arbeitsrechtliche Kompetenz in deinem Team? Welche Prozesse funktionieren bereits gut, welche benötigen Verbesserung? Diese Bestandsaufnahme bildet die Grundlage für alle weiteren Schritte.

2. Prioritäten setzen

Du kannst nicht alles gleichzeitig optimieren. Konzentriere dich zunächst auf Bereiche mit hohem Risiko wie Kündigungsprozesse oder Arbeitszeitregelungen.

Lege klare Verantwortlichkeiten fest und identifiziere "Quick Wins" – Maßnahmen, die mit wenig Aufwand schnelle Verbesserungen bringen.

3. Prozesse standardisieren

Etabliere klare Abläufe für wiederkehrende Vorgänge wie Einstellungen, Abmahnungen oder Zeugniserstellung. Führe einheitliche Checklisten und Dokumentationsstandards ein.

Baue ein zuverlässiges, vorzugsweise digitales Ablagesystem für schnellen Zugriff auf. So vermeidest du Doppelarbeit und stellst sicher, dass nichts übersehen wird.

4. Wissensmanagement strukturieren

Wissen muss geteilt, aktualisiert und leicht zugänglich sein. Plane regelmäßige Schulungen zu arbeitsrechtlichen Themen für dein HR-Team und Führungskräfte.

Baue eine interne Wissensdatenbank mit Best Practices und Mustervorlagen auf. Tausche dich mit anderen HR-Verantwortlichen in Netzwerken aus, um von deren Erfahrungen zu profitieren.

5. Qualitätssicherung etablieren

Etabliere das Vier-Augen-Prinzip für kritische Entscheidungen wie Kündigungen. Überprüfe regelmäßig deine Prozesse und Dokumente, idealerweise mit externer Unterstützung.

Stelle sicher, dass das Hinterfragen und Aktualisieren des eigenen Wissens strukturell verankert wird. Implementiere Feedback-Schleifen, durch die praktische Erfahrungen systematisch in deine Prozesse einfließen können.

Der richtige Ansatz für dich?

Die Wahl des optimalen Legal Setups wird von zahlreichen unternehmensspezifischen Faktoren bestimmt. Deine Unternehmensgröße, Branche und Wachstumsdynamik spielen ebenso eine Rolle wie dein Budget und die vorhandenen Kompetenzen.

Das klassische Anwaltsmodell bietet hohe Sicherheit im Krisenfall. Der Eigenständigkeitsansatz punktet mit Wirtschaftlichkeit und Flexibilität, birgt jedoch erhöhte rechtliche Risiken. Die Legal-Tech-Variante positioniert sich als ausgewogener Mittelweg mit niedrigen Kosten, großem Lerneffekt und einfacher Skalierbarkeit.

Aber es ist noch nicht perfekt...

Entscheidend ist nicht die theoretische Perfektion des Setups, sondern seine praktische Eignung für deine spezifischen Bedürfnisse. Beginne mit einer gründlichen Bestandsaufnahme deiner aktuellen Situation. Identifiziere die größten Risikobereiche in deinem Unternehmen und überlege, welches Modell am besten passt.

Frage dich anschließend, wo weitere Defizite bestehen und entwickle schrittweise dein Legal Setup weiter. So bleibt deine HR-Abteilung der strategische Partner, den alle Abteilungen brauchen – rechtssicher, effizient und zukunftsfähig.